Aktion vor Ort: MdL Matthi Bolte (GRÜNE) beim Eigensinn e.V.
(Text: Michael Basten, Abgeordnetenbüro MdL Bolte /Bild: v.l.: Juliane Otto, MdL Matthi Bolte, Ulrike Mund und Melanie Bergrath)
„Ich bin überrascht, dass es tatsächlich kaum Angebote der Medienkompetenzförderung gibt, die ihren Fokus auf junge Menschen mit Förderbedarf oder Behinderung richten. Auch die Feststellung, dass Mädchen und Jungen mit Behinderung häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen sind, finde ich sehr wichtig. Dass es dazu jetzt ein einzigartiges Projekt aus Bielefeld gibt, finde ich großartig!“
Mit diesem Zwischenfazit vom Landtagsabgeordneten Matthi Bolte (GRUENE) lässt sich die Begeisterung für das innovative Präventionsprojekt „Durchblick im Netz“, das vom Bielefelder Verein Eigensinn durchgeführt wird, gut einfangen und stellt den Modellcharakter heraus. Dieses Projekt war Thema der “Aktion vor Ort” und wurde von den Mitarbeiterinnen des Vereins Ulrike Mund, Melanie Bergrath und Juliane Otto vorgestellt.
Einen Draht zum Verein und zur Geschäftsführerin Ulrike Mund hat Herr Bolte noch aus seinen aktiven Zeiten in der Bielefelder Kommunalpolitik. Schon hier ist ihm Eigensinn e.V. besonders als innovativer Träger der Kinder- und Jugendarbeit mit seiner Vielzahl an Medienprojekten aufgefallen. So war es ihm ein besonderes Anliegen sich im Rahmen der Aktion vor Ort über dieses Projekt zu informieren.
Aber nicht nur der bestehende Kontakt sprach für einen Besuch, sondern auch der Zeitpunkt war gut gewählt, steht das für drei Jahre laufende und durch die Aktion Mensch geförderte Projekt gerade in der Startphase. Bisher wurden von den Mitarbeiterinnen zwei, des insgesamt 11 Intensivworkshops umfassenden Konzepts, an der Bielefelder Mamre Patmos Schule durchgeführt. So war nicht nur die Konzeption und Finanzierung des Präventionsprojekts Gegenstand, sondern gerade die ersten praktischen Erfahrungen kamen im Gespräch zum Tragen.
Grundsätzlich geht es den Mitarbeiterinnen von EigenSinn um die „Förderung einer risikoarmen Teilhabe am Internet für Mädchen und Jungen mit und ohne Behinderung“, erklärte Frau Mund. „Die Workshops sind dabei so aufgeteilt, dass der Förderschwerpunkt mit insgesamt sechs Workshops auf Mädchen und Jungen mit Einschränkung der Hörfähigkeit liegt. Diese tragen das größte Risiko von sexualisierter Gewalt im Internet betroffen zu sein, da gerade die visuellen Medien ihnen die Möglichkeit der Teilhabe an der heutigen Kinder- und Jugendkultur, deren fester Bestandteil die Online-Kommunikation mit all ihren Potentialen und Risiken ist, ermöglicht.“ Viele Eltern neigen aufgrund der möglichen Risiken dazu, ihren Kindern den Umgang mit digitalen Kommunikationsdiensten ganz zu verbieten. Ein solches Verbot kann aber den Mädchen und Jungen mit speziellem Förderbedarf die damit verbundenen Chancen der jugendkulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe nehmen. Darüber hinaus kann ein solches Verbot dazu führen, dass sich betroffene Kinder und Jugendliche bei Problemen im Netz keine Hilfe bei Erwachsenen suchen.
Schon in den ersten beiden Workshops wurde den Mitarbeiterinnen schnell klar, dass die Teilnehmer*innen umfassende Kenntnisse über Soziale Netzwerke, Online-Kommunikation und die dazu benötigten, neuesten Handys und Tablets vorgaben. Bei genauerem Nachhaken fing die Fassade aber – insbesondere aus Mangel an eigener Erfahrung im Umgang damit – schnell an zu bröckeln. Hierin steckt für die Initiatorinnen des Projekts eine wesentliche Erkenntnis. Die Schaffung einer gemeinsamen Wissensbasis als Ausgangspunkt der weiteren Arbeit wurde so notwendig. Schnell zeigte sich aber, dass geeignetes medienpädagogisches Material nicht existiert. „Wie stellt man also ein Soziales Netzwerk für die Mädchen und Jungen greifbar dar? Wir haben uns dann spontan damit geholfen, dass wir soziale Online-Netzwerke, wie zum Beispiel Facebook mit einem Wollknäul nachgebildet haben, damit die Jugendlichen ein Bild davon bekommen was es heißt, dort ein Freundesnetzwerk zu haben“, erklärte Melanie Bergrath. Es gab aber nicht nur kein Material zur Unterstützung dieser Transferleistung, auch das verfügbare Material zur Vermittlung von Netzinhalten erschien für die Zielgruppe ungeeignet. „Es gibt medienpädagogische Materialien, die für Kinder entwickelt wurden und die die Inhalte auf leichtem Niveau wiedergeben. Diese sind den Teilnehmer*innen aber zu niedlich, so dass sie die Arbeit damit ablehnen“, bemerkte Juliane Otto. „Eine Möglichkeit der Anbieter etwas zu ändern, wäre zum Beispiel die AGBs oder die Sicherheitseinstellungen in leichter Sprache bereitzustellen.“
Alleine dieser kurze Einblick in das Gespräch zeigte, mit welchen Problemen ein solches Pilotprojekt in der täglichen Arbeit konfrontiert ist. Diesen Herausforderungen entgegneten die drei Frauen mit einem ständigen Wechsel – von der Durchführung eines Workshops, dessen Evaluierung und neuen Erkenntnissen, die sie in die nachfolgenden Workshops mitnehmen. Umso wichtiger erschien es, dass sie die Methoden, Arbeitsweisen und Projektergebnisse am Ende der Projektdauer als Manual veröffentlichten und mit dem Fachpublikum aus Medien- und Heilpädagogik diskutieren wollen.